Gefangen im Alptraum
von Redaktion

Gefangen im Alptraum

von Bruno (15 Jahre), Gymnasium

Schwerer Regen prasselt an die Fensterscheibe. In dem Raum sitzt ein Junge. Er wirkt groß und irgendwie beängstigend. Ich versuche einen Blick in sein Gesicht zu erhaschen, doch das spärliche Mondlicht erhellt den Raum nicht genug, um mehr als seinen Umriss zu erkennen. Das Bett knackt unangenehm laut, als er sich erhebt und geradewegs auf mich zugeht. Sein Gang ist schwer. Mit jedem seiner Schritte schlägt mein Herz schneller und lässt meinen Puls wohl bis ins Unermessliche steigen. Meine Nackenhaare sträuben sich, als er kaum noch fünf Schritte von mir entfernt steht. Ein weiterer Schritt. Und noch einer. Ich will schreien, doch kann es nicht. Mein Mund fühlt sich an, als sei er zugeklebt. Doch auch ausweichen kann ich nicht mehr. Das schmale Ende des Zimmers, in welchem ich mich befinde, ist von einem Schrank zu beiden Seiten gesäumt. An der großen, schwarzen Gestalt führt nun kein Weg mehr vorbei. Ich sehe mich weiter im Zimmer um, gewillt irgendetwas zu finden, was meine Situation verbessern könnte. Doch ich weiß, dass es keinen Ausweg geben kann. Das Blut gefriert in meinen Adern, als ich eine starke, große Hand auf meiner Schulter spüre. Ich will der Hand ausweichen, doch ich kann mich nicht bewegen. Die Gestalt wirkt aus der Nähe noch beängstigender als sie ohnehin schon ist. Ich sehne mich nach Hause, an jenen wohlbehüteten, ruhigen Ort, an dem mein Leben noch in Ordnung war. Wie ein blasses Schimmern sehe ich die Gesichtszüge meiner Mutter in dem Raum. Sie scheint zu lächeln. Doch an diesem Ort wirkt selbst ihr sonst so beruhigendes, schmerzlich vermisstes Lächeln einschüchternd. Als das Etwas vor mir auch die andere Hand auf meiner Schulter ablegt, fährt erneut ein Gefühl wie ein Stromschlag, ausgehend von der Hand durch meinen Körper. Ich zucke zusammen, als das Gewicht der Hände beginnt mich niederzudrücken, doch meine Kraft reicht bei weitem nicht aus, um mich zu wehren. Langsam aber stetig sinke ich ein. Ich versuche in irgendeiner Form Kraft gegen die Hände aufzubringen, doch es gelingt mir nicht. Zwei Hände auf meinen Schultern reichen aus um mich, eigentlich einen sportlichen, stattlich gewachsenen Jungen niederzudrücken. Ich schlucke heftig, als meine Knie hart auf dem Boden aufschlagen. Was hat die Gestalt mit mir vor? Was passiert nun? Zu meiner Erleichterung stelle ich, nun auf dem Boden kniend fest, dass die Kraft Stück für Stück nachlässt. Die Gestalt scheint von mir abzulassen und verschwimmt zunehmend. Während sie langsam mit der Dunkelheit verschmilzt, beginnen plötzlich die Wände auf mich herabzustürzen. Die Gestalt ist nun verschwunden, das das kleiner werdende Zimmer ist mindestens genauso grausam. Wird es mich einfach zerdrücken? Der Raum ist weiter geschrumpft, kaum größer als meine Armspanne wirkt er nun. Plötzlich zerreißt ein stechender Schmerz in meinem Rücken meine Gedanken. Ich sacke aus meiner knienden Haltung weiter ein und schlage hart auf dem gelblichen Linoleum-Boden auf. Ein Knirschen durchdringt den Raum und abermals bewegen sich die Wände. Doch diesmal beginnen nicht bloß die Wände sondern gleich der ganze Raum sich zu bewegen. Von dem Zimmer ist nichts mehr übrig geblieben. Ein Raum, gerade groß genug als dass ich liegen kann, ist er nun geworden und auch das Mobiliar fehlt nun. Der verschrammte Parkettboden ist zu jenem grässlichen gelben Linoleum geworden, welches mir irgendwie bekannt vorkommt. Allmählich beginnt der Raum heller zu werden und das, obwohl ich kein Fenster, eine Lampe oder jegliche andere Lichtquelle ausmachen kann. Auch ein weiteres Element des beängstigenden Ambiente von eben verschwindet: Die Geräusche lassen nach. Das Knirschen der Wände bei ihrer Bewegung ist bereits verstummt und als nun auch das seltsame, echoartige Stimmengewirr verschwindet, fühle ich mich behaglicher. Der Raum ist nun lichtdurchflutet und die hellen Wände strahlen eine wohlige Atmosphäre aus. Die Möbel, welche im nun wieder großen Zimmer stehen, kommen mir seltsam bekannt vor. Ein Schrank, daneben ein Schreibtisch und gegenüber ein Bett. Der Bettbezug erinnert mich, in seinem Blassgelb sehr stark an den Boden und auch die anderen Möbelstücke scheinen der schrecklichen gelben Farbgebung zu folgen. Ein Schrei durchbricht jäh meine Momente des Realisierens. Ich nehme die Worte der jungen Frau nur abgehackt wahr, doch sie scheint irgendetwas von „Patient“ und „kommt zurück“ von sich zu geben. Nur wenige Augenblicke später betritt eine weitere Person den Raum. Ein jüngerer Mann, schätzungsweise in seinen frühen Dreißigern kommt auf mich zu. Ein weißer Kittel verdeckt seinen gedrungenen Körper und ein Klemmbrett unter seinem Arm lässt darauf schließen, dass er ein Arzt ist. Der Eindruck verstärkt sich noch, als er in einer verstellten, hohen Stimme sagt: „Hallo Patrick! Kannst du mich sehen?“ Noch während ich mir des Moments bewusst zu werden versuche, setzt er ein gezwungenes Lächeln auf, als versuche er, mit gespielter Freundlichkeit eine Antwort auf seine mir trivial erscheinende Frage herauszukitzeln. Er scheint mich für einen Geisteskranken zu halten, denn warum sonst sollte er mir eine solche Frage stellen? Oder ist er selbst einer? Vielleicht träume ich gerade auch nur? Denn irgendwie kommt mir etwas falsch vor. Es fühlt sich surreal an. Warum liege ich überhaupt auf dem Boden? Was machen die Leute in meinem Zimmer? Moment. Meinem Zimmer? Was ist das überhaupt für ein Zimmer? Wo bin ich hier? Der Mann reißt mich aus meinen Gedanken: Patrick? Hallo? Siehst du mich?“ Ich nicke stumm. Als der Mann seinen breiten Arm nach mir ausstreckt, fahre ich erschrocken zurück. „Setz dich auf, Patrick!“ Wer ist dieser Patrick? Erneut fordert er mich auf, aufzustehen, diesmal jedoch komme ich seiner Bitte nach, schließlich ist der Boden nicht sonderlich bequem. „Sehr schön“ lässt der Mann vernehmen.

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